Nach unserem Bibererlebnis verlassen wir am Dienstagmorgen das Arbeiterstädtchen Hinton wieder Richtung Jasper. In Toronto hat mir mal ein Taxifahrer gesagt: „In Kanada gibt es zwei Jahreszeiten. Winterseason and Construction-Season.“ Das können wir definitiv bestätigen. Unsere Fahrt verlängert sich aufgrund von Bauarbeiten an der Strasse entsprechend, aber wir haben ja Zeit.
Das Wetter für Jasper sieht gemäss Wetterbericht nicht so rosig aus. Dennoch beschliessen wir, die Gondel auf den Whistler Mountain zu nehmen und die Rockies von oben zu bewundern. Oben angekommen spürt man die Höhe von 2263 Meter über Meer denn die Luft ist dünn und der steile Anstieg zum Gipfel lässt uns kurz schwitzen. Der Wind lässt uns kurz frieren, denn er bläst hier oben deutlich stärker als unten. Es liegt sogar noch ein wenig Schnee. An einem windstillen Plätzchen setzen wir uns auf einen Stein und geniessen die Aussicht. Gigantisch, diese Weite. Unter uns nur Berge, Seen und Bäume, soweit das Auge reicht. Das Dorf Jasper nimmt nur einen kleinen Teil der Fläche ein. Wie viele Bäre hier wohl in der Wildnis leben?
Im Gipfelrestaurant gönnen wir uns ein Gipfel-Bierli und spielen dazu wiedermal Tschau-Sepp. Unsere Serie ist immer relativ ausgeglichen. Wer wohl am Samstag, 1. Juli 2017 am Morgen um 8:00 Uhr die Nase vorn hat? Der Verlierer schuldet dem Gewinner jedenfalls ein z’Nacht. Aber dass der Thermomix nicht erlaubt ist, haben wir nicht vereinbart. 😉
Unten angekommen machen wir uns auf zum Lac Beauvert. Von oben war er einer der schönsten Seen zum Bestaunen. Nun wollen wir wissen, wie er wirklich ist. An diesem kleinen Seeli steht auch das Fairmont Hotel. Wir spazieren am Ufer entlang. Das Wetter hält bis jetzt. Ab & zu fallen ein paar Tropfen vom Himmel und der Wind ist teilweise auch hier unten stärker geworden, dennoch wagen wir den Rundgang. Nach ungefähr einem Drittel des Sees müssen wir umdrehen. Der Weg ist gesperrt. Grund dafür sind die Elche, die in dieser Zeit ihre Jungen grossziehen und dabei sehr aggressiv sind. Das Schild informiert uns, dass ein Verstoss mit einer Busse von bis zu 25‘000 CAD bestraft wird. Jaaa, dann lassen wir’s lieber.
Der See ist wirklich schön. Am Ufer können sowohl Kanus wie auch Fahrräder gemietet werden. Als wir auf dem Rückweg wieder daran vorbeilaufen, hat sich die Frage für uns bereits erledigt: Es hat angefangen zu regnen, wenn nicht gerade zu schütten. Ein weiteres Mal lässt mich meine Regenjacke nicht im Stich und trotzdem dem kanadischen Wetter erfolgreich.
Für’s z’Nacht müssen wir einfach nochmals ins Fiddle River. Dieses Restaurant hat uns überzeugt. Als wir reinkommen, erkennt uns „unsere“ Kellnerin gleich wieder. Sie fragt uns, was wir bis jetzt in Jasper und Umgebung unternommen haben und wie es uns gefällt. Das Essen ist, wie bereits letztes Mal, Klasse. Ich überlege lange, ob ich wieder den bewährten Fish Pot nehmen soll, entscheide mich dann aber für selbergemachte Fish & Chips. Adi nimmt Tagliatelle mit Crevetten, Jakobsmuscheln und Pilzsauce. Grosses Kino.
Nach dem Essen machen wir uns auf den Weg ins knapp 2 Stunden entfernte McBride, wo wir in der Beaver Creek Lodge übernachten. Das Wetter hat mittlerweile wieder umgeschlagen. Die Sonne scheint als wäre sie nie weggewesen. Gerade als wir Jasper verlassen haben, sehen wir ein Touristen-Gruppenbüsli am Strassenrand stehen. Wahrscheinlich Tiere. Wir fahren ebenfalls raus und gesellen uns zu den anderen. Die älteren Damen und Herren haben junge Elche gesichtet. Gleich 3 Stück. Irgendwie hatte ich persönlich das Thema Tiere bereits abgehackt, weil wir auf dem Weg sind, die Rocky Mountains zu verlassen. Schön, hat’s doch noch geklappt.
Und dann plötzlich, sehen wir etwas, worüber wir die letzten 1 ½ Wochen des Öfteren gesprochen haben. Im Graben grasen zwei Prachtskerle von Elchen. Das Geweih wunderschön und riesig. Sie selber sind ebenfalls gut gebaut und riesig. Genau diese wollten wir noch sehen! WOW. Wir verbringen sicher 10-15 Minuten am Strassenrand und bewundern diese Exemplare. Das war’s dann endgültig mit den Rocky Mountains – danke, schön war’s!!
Auf der Fahrt nach McBride fühlen wir uns abgeschieden von der Welt. Bis auf ein paar Lastwagenfahrer und wenigen Autos im Gegenverkehr sind wir die einzigen. In McBride checken wir in unsere Lodge ein. Wir haben ein eignes, kleines Häuschen für uns. Viel Holz, schön und heimelig eingerichtet. Die Wlan-Verbindung ist, wie schon des Öfteren auf unserer Reise, nur limitiert. Damit können wir leben. Das war’s mit den Rocky Mountains. Wir hauen uns auf’s Ohr.
Am nächsten Morgen brechen wir nach Prince George auf. Nochmals knapp 2 Stunden Fahrt liegen vor uns. Oder besser gesagt, vor Adi. Zugegeben, er übernimmt den Löwenanteil, was unsere Fahrt anbelangt. Ich frage zwar immer wieder nach, ob es ihm recht ist, aber vor allem auf diesen Nationalpark-Strassen merke ich, dass er einfach gerne Auto fährt. Und ich fahre gerne mit. Ich fühle mich pudelwohl, kann die Landschaft bestaunen, die Musik wählen und ein bisschen rumchillen. Danke dafür! :*
Wie bereits gestern erleben wir auch heute quasi die 4 Jahreszeiten in 2 Stunden. Strahlend blauer Himmel, heftige Regenfälle und wechselhafte Temperaturen. Als der Regen vorbei ist, reflektiert das Licht der Sonne teilweise so heftig auf der nassen Strasse, dass es, zumindest für mich, unmöglich ist, etwas zu sehen.
Adi & ich sind gerade in einem Thema vertieft, als ich meine, einen Bären am rechten Strassenrand gesehen zu haben. „Wollen wir drehen?“, fragt mich Adi. Ich bejahe, denn das könnte unser letzter Bär gewesen sein. Als wir dort ankommen, ist es tatsächlich so. Und er ist super schön. Ein gutgebauter Schwarzbär. Seine Schnauze ist nicht so spitzig, wie diejenige von anderen Schwarzbären, die wir hier gesehen haben. Wir können ihm leider nur kurz zuschauen, bevor er im Gestrüpp verschwindet. Tschüssli Bär!
Kurz nach dem Mittag erreichen wir Prince George. Da wir noch nicht einchecken können, wollen wir im Shoppingcenter auf Schnäppchenfang. Wir parkieren unseren Schlitten und laufen zum Eingang, als wir die blinkenden Lichter von Polizei- und Feuerwehrautos sowie Krankenwagen sehen. Ein Auto ist in den Eingangsbereich eines Ladens gefahren. Wie um Himmels Willen der das dort geschafft hat, wissen wir nicht.
Im Tim Hortons holen wir uns Chili con Carne zum z’Mittag. Dafür, dass Tim Hortons eine Kette, wie Starbucks und Co. Ist, ist das Chili hier nämlich super. Danach stöbern wir durch die verschiedenen Läden. Meine Koffer sind schon relativ gut gefüllt, also suchen wir mehr nach Sachen für Adrian.
Für heute Abend haben wir uns mit den Von Ah’s verabredet. Sie sind die Eltern von Sonja, die in Goldau zusammen mit ihrem Mann Mauro das Restaurant Gotthard besitzt. Als meine Mutter mal mit ihr ins Gespräch gekommen ist, hat das eine, das andere ergeben und wir haben die Kontaktdaten von Rosmarie und Hansruedi erhalten. 2 Tage im Voraus habe ich bei ihnen angerufen und sie haben uns zum z’Nacht eingeladen.
Im Hotel rufe ich dann Rosmarie an. Sie kommt uns um 16:30 Uhr abholen, der Weg sei kompliziert und ein wenig ausserhalb von Prince George. Als wir aus dem Hotel laufen, wartet sie bereits im Auto mit ihrer Enkelin Ella auf uns. Wir steigen ebenfalls in unseren Flitzer und folgen Rosmarie. Sie führt uns in ein schönes Quartier, knapp 15 Minuten vom Stadtzentrum entfernt (wenn man das in Prince George so bezeichnen kann). Wir fahren in die Einfahrt eines schmucken Hauses, wo wir auf Hansruedi treffen. Während Rosmarie Ella nach Hause bringt, sitzen wir in der Stube mit Hansruedi und sprechen zuerst vor allem über ihre Auswanderung. Grund dafür sei die Wirtschaft gewesen, die Arbeit in der Schweiz war knapp. Zusammen mit einem Freund sei er mit dem Schiff nach Kanada gekommen. Ich kann nur Staunen. Später sei dann Rosmarie nach Vancouver zum Englisch lernen, worauf auch sie nicht mehr zurück ist. Die Kinder sind alle in Kanada geboren und aufgewachsen. Interessant, was die beiden uns alles zu erzählen haben. Sie beantworten uns auch unzählige Fragen zum Leben in Kanada. Obwohl ich bereits seit über 5 Monaten hier bin, weiss auch ich noch vielen nicht.
Bei einem leckeren, typisch schweizerischen Abendessen mit Salat, Chnöpfli, Voressen und Blumenkohl mit einem Schokoladen-Cupcake als Dessert geniesse ich ein Stück Heimat. Hansruedi und Rosmarie sind supernett und erfüllen und was sie zu erzählen haben, ist echt interessant. Zusammen mit dem Dessert gibt es dann auch noch ein richtiges Schweizer Kaffeeschnaps, bevor wir uns von ihnen verabschieden. Das war ein wirklich schöner Abend mit Leuten, die wir eigentlich nicht kannten, aber uns sofort sympathisch waren und uns ein Stück ihrer Geschichte erzählt haben.